Woher kommen die Gebärdendialekte in Bayern?
Die Geschichte der Gebärdendialekte in Bayern beginnt im Jahr 1794, als in München der erste Unterricht für Gehörlose stattfand. Ein Augustinermönch namens Bartelemy de Boullion, der vor den französischen Revolutionären nach München floh, brachte seine Erfahrungen als Taubstummenlehrer aus Paris mit. Er unterrichtete die gehörlosen Kinder in München und verwendete dabei die französische Methode, die Schreiben, Lesen und französische Gebärden umfasste. Leider endete dieser Unterricht im Jahr 1797, als der Mönch nach der Belagerung von München durch die Franzosen verschwand.
Im Auftrag von Kurfürst Karl Theodor wurde der Weltpriester Bernhard von Ernsdorfer nach Wien geschickt, um sich im Taubstummeninstitut Wien unter der Leitung von Joseph May als Taubstummenlehrer ausbilden zu lassen. In Wien lernte er die „Wiener Methode“, die Schreiben, Lesen, Fingeralphabet, Sprechen und Gebärden umfasste. Diese Methode brachte er nach München zurück, wodurch wahrscheinlich einige Gebärden aus Wien nach Bayern gelangten. Bis heute sind Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen zwischen bayerischen und österreichischen Gebärden bemerkbar.
1817 wurde die Ausbildungsstätte der damals so genannten Taubstummenpädagogik des Kgl. Central-Taubstummen-Institut in Freising gegründet, wo acht Lehrer als Taubstummenlehrer ausgebildet wurden. Diese Lehrer brachten die „Wiener Methode“ in verschiedene Städte Bayerns, um dort den Unterricht für Gehörlose aufzubauen.
Die Gebärden entstanden oft im Pausenhof der bayerischen Gehörlosenschulen und im Heim, da die Gebärdensprache im Unterricht zeitweise sogar verboten waren bezugsweise bestraft wurden.
Nach der Schulentlassung gingen viele gehörlose Absolventen zu den Berufsbildungswerken in Nürnberg und München. Dort trafen sie auf neue Gebärden, da es damals keinen Austausch zwischen den Schulen gab.
Ähnliche Entwicklungen lassen sich bei der staatlichen Realschule für Gehörlose in München (gegründet 1966) und bei den ersten Besuchen in Gehörlosen- und Sportvereinen in Bayern beobachten. Diese Orte trugen wesentlich zur Entstehung und Verbreitung von Gebärdendialekten bei, da dort Gehörlose aus verschiedenen Regionen zusammenkamen und ihre Gebärden austauschten.
Ein typischer Austausch in der Gebärdensprachgemeinschaft beginnt oft mit der Frage „Du-Schule wo?“. Diese Frage verdeutlicht, dass Gehörlose häufig Gebärden verwenden, die sie in ihren speziellen Schulen gelernt haben. Diese Schulen, oft mit Internat verbunden, ermöglichten den Schülern nur während der Ferien nach Hause zu fahren. Innerhalb dieser Schulen entwickelten sich spezifische Gebärden.
Durch die vermehrten Mobilisierungsmöglichkeiten (Zug, Auto, etc.) so ab 1970 (?) und somit auch mehr Möglichkeiten zur Austausch mit anderen Gehörlosen aus anderen Regionen werden die alten Dialekten immer weniger genutzt und es kam eher zu einem ähnlicheren Gebärdenschatz in Bayern.
Und seit dem Internetzeitalter hat sich die Gebärden in Bayern/Deutschland umso rasanter verändert hin zu internationale Gebärden oder auch viel von der ASL (American Sign Language). Daher ist dieses Projekt gerade umso wichtiger.